Droht Berlin-Mitte die Alternativlosigkeit?

Mit der Ankündigung einer Räumungsklage geht das alternative Wohn- und Kulturprojekt Schoko-Laden in das neue Jahr. Doch vage Hoffnung bleibt, da die Eigentümerin auch Gesprächsbereitschaft signalisiert

 

Leichte Verwirrung herrscht im alternativen Wohn- und Kulturprojekt Schoko-Laden. Die Eigentümerin des Hauses in der Ackerstraße 169/170 droht mit einer Räumungsklage, zeigt jedoch auch Gesprächsbereitschaft. Matthias von der Pressegruppe des Vereins Schoko-Laden vermutet öffentlichen Druck hinter diesem Schlingerkurs. Die angebotene Gesprächsbereitschaft möchte er gerne aufnehmen. „Wir werden uns in den kommenden Tagen zusammensetzen, Strategien überlegen und Vorschläge erarbeiten“. Er sieht anstrengenden Wochen entgegen, denn einer Räumungsklage wäre juristisch kaum etwas entgegenzusetzen. In einem solchen Fall hofft er auf die Unterstützung der lokalen Politik. Besser wäre jedoch ein Verhandlungserfolg. Dieser soll die Existenz eines der letzten Standorte alternativer Kultur und Lebensart in Berlin-Mitte sichern.

In einer schriftlichen Stellungnahme gibt der Vertreter der Eigentümerin, Markus Friedrich, bekannt, dass die Beteiligungsgesellschaft Friedrich Trier GmbH und Co. KG bereits in der Vergangenheit mit Stellvertretern des Schoko-Ladens über das Weiterbestehen eines Mietverhältnisses nach der Sanierung des Objektes diskutiert habe. Auch in Zukunft sei man zu konstruktiven Gesprächen bereit. Allerdings habe die Gegenseite bisher kein angemessenes Angebot übermittelt. Dieses müsse sich an marktüblichen Preisen orientieren.

Damit ist der Kern des Problems genannt. Das Mietverhältnis in einem sanierten Altbau in bester Wohnlage übersteigt die finanziellen Möglichkeiten des Schoko-Ladens. Unstrittig präsentiert sich der aus dem Jahr 1881 stammende Altbau in einem traurigen Zustand. Matthias betont daher, dass der Verein Schoko-Laden eine Sanierung unterstützen würde. Doch letztendlich seien es die Ziele beider Parteien, die eine Einigung erschweren. Hier das Engagement für einen Ort alternativer Kultur und Lebensart. Dort das Vorhaben, mit einem sanierten Altbau finanziellen Gewinn einzufahren.

Der Ursprung des Streits führt zurück in eine Zeit, in der das düster wirkende Berlin-Mitte nach Kohleheizung und Aufbruchstimmung roch. Das Quartier der Rosenthaler Vorstadt entdeckten zu Beginn der neunziger Jahre die Hausbesetzerszene und Investoren gleichermaßen. Während die einen alternatives Leben auf ihre Fahnen schrieben, tippten die anderen Gewinnprognosen in ihre Taschenrechner. In einer solchen Atmosphäre besetzten im Sommer 1990 junge Kreative das marode Gebäude in der Ackerstraße. Nach wenigen Monaten eröffneten sie dort das Café Schoko-Laden und entwickelten es zum Mittelpunkt eines alternativen Kulturtreffs. Der Berliner Tradition des Wortspiels folgend, erinnert der Name an die Schokoladenfabrikation, die das Areal bis 1971 prägte.

Das Gebäude fand zu Beginn der neunziger Jahre auch das Interesse des aus Trier stammenden Markus Friedrich. Der in der Fliesenbranche tätige Unternehmer kaufte es einer Erbengemeinschaft ab. Dass sich seine Zukunftsvisionen nicht mit denen des Schoko-Ladens deckten, wurde schon bald deutlich. Die taz berichtete bereits 1995 von Streitigkeiten und auslaufenden Mietverträgen. Die ganz große Konfrontation blieb jedoch bis heute aus. Sollte sich dies nun ändern? Von einer Räumung betroffen wäre neben mehreren Ateliers auch der Club der polnischen Versager. Dieser hatte seinen alten Standort in der Torstraße nach ähnlichen Querelen mit dem Vermieter aufgeben müssen. Berlin, den 28.12.2008 / Erschienen in die tageszeitung