Synagoge Fraenkelufer. Kleine Gemeinde mit großer Tradition

Die jüdische Gemeinde am Fraenkelufer erinnerte mit einem Festakt an die Wiedereinweihung ihrer Synagoge vor 50 Jahren. Ein Besuch

Der Weg zum Festakt führte vorbei an mehreren Sicherheitsbarrieren, quer stehenden Polizeiautos, einer breitschultrigen Security und schließlich der im Eingangsbereich aufgestellten elektronischen Sicherheitsschleuse. Erst dann bot sich die Gelegenheit, den zumeist betagten Gemeindemitgliedern zu gratulieren. Im Gegensatz zum grimmigen Sicherheitsregiment vor der Tür, herrschte im Innern der Synagoge ausgelassene Festtagsstimmung. Knapp 100 Gemeindemitglieder feierten gemeinsam mit viel lokaler Prominenz. Lala Süsskind, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sowie der Bezirksbürgermeister Franz Schulz fanden lobende Worte. Sie erinnerten an eine Synagoge, die ihre erste Einweihung bereits 1916 erlebte. Damals war die Zahl der Berliner Juden durch Zuzug stark angestiegen. Neben jüdischen Deutschen aus den Provinzen des Reiches zählte eine Berliner Statistik von 1910 alleine 13.000 Juden aus Osteuropa. Letztere hatten sich vor Pogromen in Sicherheit bringen können. Um diesem Wachstum Rechnung zu tragen, begannen 1911 Planungen für eine 2000 Menschen fassende Synagoge am damaligen Kottbusser Ufer. Es entstand ein repräsentativer Bau im neoklassizistischen Stil, der primär von orthodox eingestellten Gläubigen aufgesucht wurde. Da die Einweihung des Gotteshauses in die Zeit des Ersten Weltkrieges fiel, waren zahlreiche Reden des Eröffnungstages sehr patriotisch gefärbt. Die Gemeindemitglieder schützte dies jedoch wenig vor antisemitischen Ausfällen nationalistischer Nachbarn. Attacken nahmen in den Nachkriegsjahren rapide zu und fanden im Februar 1930 einen ersten negativen Höhepunkt. Eine Gruppe Männer, die in einer nahe gelegenen SA-Kneipe verkehrte, schmierte breitflächig Parolen wie Judas verrecke an die Synagogenwände. Unheilsboten einer sich stetig feindseliger gebärdenden Umgebung. Mit der so genanten Machtergreifung der Nationalsozialisten bekamen die Schikanen nun auch noch eine staatliche Sanktionierung. Der Verwüstung der Synagoge während der Reichspogromnacht im November 1938 folgte in den kommenden Jahren die Nutzung des Geländes durch städtische und staatliche Stellen. Es entstand eine Lagerhalle für Gegenstände deportierter Berliner und Parkraum für Militärfahrzeuge.

Weitere Zerstörungen resultierten aus alliierten Bombenangriffen während des Zweiten Weltkrieges. So glich die Hauptsynagoge gegen Ende der Kampfhandlungen einer Trümmerlandschaft und wurde schließlich 1959 abgetragen. Dagegen erholte sich das Gemeindeleben rasch wieder. Es fand fortan in der angegliederten kleinen Jugendsynagoge einen neuen Mittelpunkt. Bereits im September 1945 feierten Gläubige dort einen ersten Gottesdienst, an dem jüdische Berliner, aus Konzentrationslagern befreite polnische Juden sowie sowjetische und amerikanische Soldaten teilnahmen. Mittlerweile besteht die Betergemeinschaft primär aus Menschen, deren Familien die KZs und Ghettos in Polen durchlebt hatten und die auf ihren Wegen nach Palästina oder Amerika in Berlin strandeten. In Kreuzberg selbst wohnt leider kaum noch einer von ihnen, doch sie halten der kleinen Synagoge am schönen Landwehrkanal nach wie vor die Treue.

Berlin, den 15. Juni 2009 / Erschienen im Stachel Sommer 2009  www.frieke.de/stachel/2788681.html