Ich bete für den Frieden

Seit dem 9. Januar läuft ein einwöchiges Referendum über die politische Zukunft des südlichen Sudan. Die Weichen stehen auf Unabhängigkeit einer Region von der Fläche Frankreichs. Die Menschen des Südsudan sind zumeist Christen oder Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen, die Mehrheit der Sudanesen dagegen Muslime. Dieser Gegensatz, aber auch die Diskriminierung der schwarzafrikanischen Bevölkerung durch eine arabische Elite bestimmten einen Jahrzehnte andauernden Bürgerkrieg mit über zwei Millionen Toten. Im Januar 2005 erfolgte ein Friedensvertrag, der nun die Unabhängigkeit des Südens ermöglichen soll.

Der bitterarme Südsudan kann als Startkapital mit reichen Erdölvorkommen aufwarten. Sie umfassen 80 Prozent des sudanesischen Erdöls. Begehrlichkeiten des Nordens wecke dies jedoch nicht, versichert Rodwan Osman Said Ibrahim. Er ist zweiter Sekretär der sudanesischen Botschaft in Berlin und betont vielmehr, dass die Regierung in der Hauptstadt Khartum den Ausgang des Referendums akzeptieren würde. Dabei spiele es keine Rolle, wie das Referendum ausfalle. Ein erneuter Waffengang wäre für alle Seiten ein Fiasko. Eine ökonomische Kooperation sei dagegen die bessere Alternative. „Sie haben das Öl und wir die Pipelines und Häfen für den Export“, bringt es der Diplomat auf den Punkt.

Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Unabhängigkeit sind bereits zahlreiche Südsudanesen aus Deutschland in die alte Heimat zurückgekehrt. Dort arbeiten sie zumeist als Fachkräfte oder Berater von Hilfsorganisationen, wie dem World Food Programm der Vereinten Nationen. Ulrich Delius, Sudan-Experte der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen, vermutet nur noch zirka 30 Südsudanesen in Deutschland. Ihre Anzahl belief sich jedoch selbst in den Hochzeiten auf kaum mehr als 70 Menschen. Einer von ihnen ist der in Berlin tätige Arzt Arkangelo Modesto. Er ist ehrenamtlicher Präsident des SudanClub, einer Begegnungsstätte für Nord- und Südsudanesen in Charlottenburg. Nach Berlin kam er infolge eines Abkommens, das die DDR mit dem Sudan zur Ausbildung sudanesischer Ärzte geschlossen hatte. Seine Freude über die bevorstehende Unabhängigkeit ist groß. Doch ein wenig Besorgnis bezüglich möglicher Gewalt während der Abstimmung schwingt in seinen Worten mit. „Ich bete für den Frieden und werde während des Referendums meine sudanesischen Freunde treffen.“

Zwar würde der Südsudan als unabhängiger Staat politisch und ökonomisch nicht bei Null beginnen, doch Modesto unterstreicht, dass die Hilfe Europas und der USA in Zukunft unabdingbar seien. Es fehle an Infrastruktur, einem funktionierenden Gesundheitswesen und ausreichend Nahrung für die Menschen. Der sympathische Arzt plant, bald selbst in den Sudan zu reisen. „Gerne möchte ich das Krankenhaus wieder aufbauen, in dem ich früher einmal gearbeitet habe.“

Trotz großer Armut sieht er positiv in die Zukunft. „Wir haben ausreichend qualifizierte Männer und Frauen, die einen funktionierenden Staat aufbauen können.“ Die Stabilität des Staates hänge allerdings auch von demokratischen Strukturen ab, die ebenfalls noch entstehen müssten. Zum Abschied betont er noch, dass trotz der emotionalen Wunden des Bürgerkrieges Nord- und Südsudanesen in guter Nachbarschaft leben sollten. So wie sie es in Berlin praktizieren würden – von einer friedlichen Nachbarschaft könnten schließlich alle Menschen profitieren. Auch und gerade im Sudan.

Berlin, den 5. Januar 2011 / Erschienen in die kirche