Ach du liebes Blechle

Am Wochenende warben drei Bürgerinitiativen für das Verkehrskonzept Shared Space. Kritik kommt von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

 

Die Tram schleicht mit 15 km/h über die Kastanienallee in Prenzlauer Berg. Der Kraftfahrzeugverkehr folgt dem Beispiel, denn regulierende Verkehrsschilder und Ampeln fehlen. Erhöhte Aufmerksamkeit ist gefordert. Einige Verkehrsteilnehmer steuern das Parkhaus am Pratergarten an. Hier befindet sich die einzige Stellfläche für Autos weit und breit.

 

Dieses Zukunftskonzept für die Kastanienallee erklärte Frank Möller am Sonntag knapp 40 Interessierten vor Ort. Er vertritt das Anti-Auto-Aktivisten-Netzwerk CARambolagen. „Unser Ziel ist die Entschleunigung des Verkehrs.“ Die Straße dürfe nicht länger Transitweg sein. Sie müsse zum Raum von hoher Lebensqualität werden. Ein gemeinschaftlich genutzter Raum, ein shared space, im Interesse aller Menschen.

 

Drei Bürgerinitiativen luden zum Shared Space Wochenende in die Kastanienallee und nach Blankenburg. „Wir wollen mit allen Betroffenen alternative Verkehrskonzepte erarbeiten“, betont Möller. Vorbilder gäbe es viele und er zitiert Beispiele aus den Niederlanden.

 

Doch auch in Deutschland gibt es eine erste Gemeinde die das Shared Space Konzept umgesetzt hat. Die Stadtplaner der niedersächsischen Gemeinde Bohmte gestalteten eine zentrale Kreuzung um, indem sie die Verkehrsschilder und die Ampelanlage entfernten. Es entstand ein platzähnlicher Raum von zirka 450 Metern, dem eine klare Trennung von Gehweg und Fahrbahn fehlt. Ausschließlich weiße Straßenrandmarkierungen sorgen für etwas Orientierung. Verkehrsteilnehmer müssen sich nur an die Regel rechts vor links halten. Im Bürgermeisteramt kommentiert Frau Kempin die Umgestaltungsmaßnahme: „Seit der offiziellen Einweihung am 19. Mai vergangenen Jahres gab es keinen Unfall.“ Zuvor wären im Jahresschnitt zwischen 30 und 40 Unfälle gezählt worden.

 

Dass eine gefühlte Unsicherheit durch fehlende Verkehrsschilder für mehr Sicherheit sorgen würde, behauptet Claudia Hämmerling (Bündnis90/Die Grünen). Die im Abgeordnetenhaus sitzende Verkehrsexpertin ließ sich in Bohmte das Konzept Shared Space erklären und wirbt für eine Umsetzung auch in Berlin. „Die motorisierten Verkehrsteilnehmer fahren in einem Shared Space schon im eigenen Interesse sehr langsam. Sie müssen Ausschau nach anderen Verkehrsteilnehmern halten, um einen Unfall zu vermeiden. Sie übernehmen Eigenverantwortung.“ Zudem würden mit jeder eingesparten Ampel 18.000 Euro Betriebskosten im Jahr entfallen.

 

Berlin sei nicht Bohmte, betont dagegen Alexander Abel von der Pressestelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Das Verkehrskonzept Shared Space ist in verkehrsreichen Innenstadtbezirken einer Großstadt nicht zu verwirklichen.“ Man könne sich Shared Space allenfalls in den weniger stark befahrenen Außenbereichen der Stadt vorstellen. Auch der auf der Veranstaltung anwesende Stadtrat Kirchner ist dieser Meinung.

 

Diese Kritik lässt Frank Möller von CARambolagen nicht gelten. „Gerade für die verkehrsreichen Innenstadtquartiere ist Shared Space konzipiert worden.“ Zudem sei die Kastanienallee mit im Schnitt 2220 Kraftfahrzeugen nicht besonders stark befahren. Die Londoner Kensington High Street, die ebenfalls am Shared Space Projekt teilnimmt, sei da eine ganz andere Kategorie. Diese Straße frequentieren 40.000 Fahrzeuge pro Tag.

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