Türkiyemspor – the Pride of Kreuzberg nochmal davongekommen

Sportlich im Tabellenkeller der Regionalliga Nord. Finanziell der Insolvenz knapp entgangen. Ein Lagebericht.

Das Heimspiel gegen die Mannschaft von Oberneuland, einem Bremer Ortsteil, ist sehr schlecht besucht. Ganze 53 Fans verlieren sich in der zugigen Betonschüssel des 20.000 Zuschauer fassenden Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks in Prenzlauer Berg. Türkiyemspor dominiert leider nicht nur sportlich den Tabellenkeller der Regionalliga Nord, sondern ist auch bei der Zuschauergunst mit im Schnitt 199 Fußballenthusiasten das Schlusslicht der Regionalliga. Eine Zahl, die noch niedriger ausfallen würde, kämen nicht auch die Anhänger der Gästemannschaften ins Stadion. Fußballstimmung kommt so nur selten auf. Leider besitzt Türkiyemspor kein eigenes regionalligataugliches Stadion in Kreuzberg und so werden Heimspiele zu gefühlten Auswärtsspielen. Denn Türkiyemspor im Prenzlauer Berg, das passt zusammen wie Schneefall und Tropen.

Der Kuckuck an der Tür

Wäre das alles nicht schon deprimierend genug, folgte letzten Herbst ein weiterer Schock. Das Gespenst der Insolvenz geisterte durch das Vereinsbüro. Der Schuldenberg hatte die 600.000 Euro Marke erreicht. Türkiyemspor war zahlungsunfähig. Erst der Verzicht ehemaliger Vorstandsmitglieder auf ihr Geld und ein knallharter Sparkurs konnten das drohende Ende noch einmal abwenden. Nun treten die Spieler für unter 200 Euro im Monat gegen den Ball. Viele haben Türkiyemspor bereits verlassen. Robert Claus vom Mediateam des Vereins betont daher, dass man realistisch sei und bereits für die Oberliga plane. „Dort wollen wir uns erst einmal konsolidieren.“ Die Jugendarbeit und das soziale Engagement würden allerdings weiter laufen wie bisher. Hier gäbe es kaum Kosten, die eingespart werden müssten. Es fehlt die breite Solidarisierung türkischstämmiger Berlinerinnen und Berliner. Der Wedding liegt zwar in Sichtweite der Flutlichtmasten doch trotzdem verirrt sich kaum ein türkischstämmiger Nachbar ins Stadion. „Die haben halt ihre eigenen Vereine“, versucht es Robert Claus zu erklären.

Angriffe von Rechts

Dabei ist das Potenzial breiter Zuschauerunterstützung vorhanden. Zuschauerzahlen von mehreren Tausend Fußballenthusiasten wurden bereits erreicht. Doch das scheint erst einmal Geschichte. Eine Geschichte, die in einer Berliner Freizeitliga begann und beinahe in die Zweite Bundesliga geführt hätte. Die Erfolge machten den Verein bei Fußballfans bundesweit bekannt und bei rechten Gruppen verhasst. Diesbezüglich habe sich kaum etwas geändert, betont Robert Claus. So stand der Text „Und wieder kein Tor für Türkiyemspor“ auf den T-Shirts zahlreicher Fans des Ligakonkurrenten Chemnitzer FC. Es ist der Refrain eines Liedes der verbotenen Band Die Landser. Der DFB verhängte daraufhin harte Strafen gegen den sächsischen Verein. Aufgrund dessen würde sich die rechte Fanszene in den Stadien ein wenig zurückhaltender präsentieren, so Robert Claus. Dass vor dem Spiel gegen Oberneuland einem Mannschaftsbus von Türkiyemspor in Rudow die Reifen zerstochen wurden, bleibt da nur Randnotiz. „Wir waren das einzige Auto, was im Umkreis beschädigt wurde. Das sagt eigentlich schon alles. Aber da wir keine Beweise haben, beschuldigen wir auch niemanden“, nimmt er es schon beinahe stoisch.

Bald wieder daheim

Tatsächlich gilt der Blick der Zukunft und die heißt erst einmal Oberliga. An dem Abend macht Türkiyemspor einen weiteren Schritt in die Richtung und verliert mit 1:2 gegen die Mannschaft vom Bremer Stadtrand. „Oberneuland, Oberneuland“, schallt es vereinzelt durch die kalte Nacht. „Wenn wir nächste Saison in der Oberliga spielen, dürfen wir auch das Kreuzberger Katzbachstadion nutzen. Dann sind wir endlich wieder zuhause“, bringt es ein Fan von Türkiyemspor auf den Punkt. Immerhin gibt es dann auch wieder richtige Heimspiele.

 

Berlin, den 28. Januar 2011  Erschienen im Stachel Frühjahr 2011 http://www2.frieke.de/uploads/stachel_a3_2011_02.pdf