Die chinesische Gemeinde Berlins

Die kleine Residenzstadt Berlin bekam im Jahr 1822 Besuch von zwei Chinesen namens Feng. Die beiden jungen Männer stammten aus dem südchinesischen Guangzhou. Sie hatten eine Zeit lang in London gelebt und reisten von dort an die Spree. Ihre Fahrt nach Preußen erfolgte auf Initiative des Kaufmanns Heinrich Lasthausen. Dieser beabsichtigte, die beiden Männer gegen eine Eintrittsgebühr von sechs Groschen öffentlich zur Schau zu stellen. Das Unterfangen schien viel versprechend, da Chinesen im Brandenburgischen bis dahin nur vom Hörensagen bekannt waren. In der zentral gelegenen Behrenstraße 65 wurde Quartier bezogen. Die beiden Männer aus dem Land der Mitte übten sich dort im Schattenboxen, im Spielen chinesischer Musikinstrumente und malten chinesische Zeichen oder sprachen chinesische Sätze.

Gegen alle Erwartungen hielt sich das Interesse der Bevölkerung jedoch in Grenzen und das Projekt musste eingestellt werden. Die beiden Chinesen begannen daraufhin, ihr Leben neu zu gestalten. Zunächst wurde eine akademische Karriere in Halle an der Saale angestrebt, doch letztlich reichte es nur zur Dienerschaft am preußischen Königshof.

Dieser baute seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts seine diplomatischen Beziehungen zum Reich der Mitte aus. Im Jahre 1878 eröffnete daher eine chinesische Gesandtschaft in Berlin. Dienstsitz war eine repräsentative Villa am Landwehrkanal im Bezirk Tiergarten. Das Gebäude, welches als Von-der-Heydt-Villa bekannt ist, dient heute der Hauptverwaltung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

In den folgenden Jahren kamen immer mehr chinesische Studenten und Händler nach Berlin: Während die angehenden Akademiker Wohnquartiere in der Nähe der Technischen Hochschule, der späteren Technischen Universität, suchten, wählten die Händler das ärmliche Viertel rund um den Schlesischen Bahnhof, den heutigen Ostbahnhof.

Die chinesischen Studenten waren in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts besonders zahlreich in der Charlottenburger Kantstraße vertreten. Daher scheint es nicht zufällig, dass hier 1923 mit dem Tientsin das erste China-Restaurant der Stadt eröffnete.

Politische Umbrüche prägten die Zeit und beeinflussten auch diese Gemeinschaft. Einige Studenten entdeckten ihre Sympathien für kommunistische Organisationen. Unter ihnen befand sich der offiziell in Göttingen eingeschriebene Zhu De. Er sollte später in China Militärkarriere machen und bis zum Oberbefehlshaber der Volksbefreiungsarmee aufsteigen. Ein weiterer Student, der Europa bereiste und ebenfalls kurzzeitig in Berlin lebte, war Zhou Enlai. Er sollte wiederum der erste Ministerpräsident und Außenminister der Volksrepublik China werden.

Die ca. 200 Händler und deren Angehörige am Schlesischen Bahnhof engagierten sich politisch weniger stark. Sie kamen aus ärmlichen Verhältnissen und kämpften primär um das finanzielle Überleben. Die meisten von ihnen waren mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Europa gekommen. Mit großen Taschen zogen sie von Haustür zu Haustür und versuchten chinesische Produkte, wie beispielsweise Vasen oder Fächer, an den Mann bzw. die Frau zu bringen.

Berlin, den 5. November 2010 / Nicht veröffentlicht