Rezension: Claus Leggewie & Harald Welzer: Das Ende der Welt, wie wir sie kannten. Klima, Zukunft und die Chancen der Demokratie.

S. Fischer, Frankfurt am Main 2009. 278 Seiten. 19,95 Euro

 

Der gescheiterte Klimagipfel von Kopenhagen treibt immer noch vielen Beobachterinnen und Beobachtern die Zornesröte ins Gesicht: Wie können Menschen, die an den Hebeln der Macht sitzen, eine sich anbahnende Klimakatastrophe geschehen lassen? Wie können sie durch ihr Handeln bzw. Nicht-Handeln ruhigen Gewissens zukünftigen Generationen großen Schaden zufügen? Das Buch von Claus Leggewie und Harald Welzer gibt hierüber in beeindruckender Weise Auskunft. Die beiden Wissenschaftler des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen beschreiben die Psychologie menschlichen Handelns. Sie zeigen dabei auf, dass es nicht ausschließlich skrupellose Politiker oder Wirtschaftslobbyisten sind, die an einem weiter so festhalten. Ein großes Stück Mitverantwortung an der Klimakrise trägt auch eine nur mühsam zum Umdenken bereite Gesellschaft, die ihre komfortablen Lebensumstände beibehalten möchte. So düster die Zukunft auch bei einem weiter so aussehen mag. Die Autoren liefern bezüglich dieser Schwerfälligkeit zum notwendigen Wandel mehrere verblüffende Beispiele aus der Geschichte und aus Alltagssituationen. In einem Blick zurück nennen sie exemplarisch das Unvermögen der Wikinger, sich während ihrer Besiedlung Grönlands den Gegebenheiten vor Ort anzupassen. So hielten die ersten Siedlergenerationen unbeirrt an der für Grönland ungeeigneten Viehzucht fest. Sie pflegten damit einen Lebensstil der alten Heimat, der den klimatischen Herausforderungen auf der weltgrößten Insel widersprach. Sturköpfige Wikinger? Doch ist es dann nicht ebenso sturköpfig, wenn Menschen am Rauchen festhalten, obwohl sie wissen, dass die kurzfristige Freude am Tabak auf lange Sicht gesundheitliche Schäden zur Folge haben wird?

Die scheinbar fehlende Kraft, lieb gewonnene Gewohnheiten aufzugeben, wird spätestens mit dem zur Neige gehen fossiler Ressourcen in einem bösen Erwachen enden. Gegenwärtig hängen 80 Prozent unseres Lebensstils von solchen Ressourcen ab. Doch wie sieht ein Dasein ohne Erdöl aus? Die beiden Autoren betonen, dass eine Krise erwartbaren Ausmaßes nicht mehr alleine von Ingenieurskunst, Unternehmergeist oder Berufspolitik gemeistert werden kann. Auch deshalb fordern Leggewie und Welzer den Mut zu einer kulturellen Revolution, an der sich möglichst alle Menschen beteiligen sollten. Individuelle Verantwortungsbereitschaft und kollektives Engagement sind für ihr Gelingen unabdingbar. Während eine basisorientierte Demokratie die besten Rahmenbedingungen liefern würde.

 

Das Ende der Welt, wie wir sie kannten ist eine Bestandsaufnahme, ein Ausblick und ein Handlungskatalog. Das sehr lesenswerte Buch gibt nach dem gescheiterten Klimagipfel von Kopenhagen ein Stück weit Hoffnung zurück. Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

 

Berlin, den 7. Juni 2010 / Erschienen im Stachel Sommer 2010 www.frieke.de/stachel/3534030.html