Nachtzug nach Krakau

Kurzurlaubern bietet die alte polnische Hauptstadt viel Spannendes – nicht nur im jüdischen Viertel.

Einer der Wege nach Krakau führt über Berlin-Lichtenberg. Am dortigen Bahnhof wird der Nachtzug mit Endpunkt Kiew bereitgestellt. Wir entscheiden uns für diese klassische Variante, auch wenn sie beinahe zwölf Stunden Fahrtzeit und Rangiermanöver während der Nacht bedeutet. In Lichtenberg angekommen, wird prompt ein Klischee bedient: Mehrere Neonazis stampfen grölend in die Bahnhofshalle. Ein vom übermäßigen Alkoholkonsum gezeichneter Glatzkopf präsentiert bemüht stolz sein «White Pride»-Hemd und lässt bei dieser Gelegenheit auch noch einen schwarzen Schlagstock sehen. Sein Gebaren scheint einen Streit innerhalb der Gruppe auszulösen. Der findet einen Höhepunkt, als ein weiterer Glatzkopf ohne Vorwarnung dem national gesinnten Trinker mit einem einzigen Faustschlag dessen Bierflasche in der Hand zerschlägt. Wie das möglich sein kann, rätseln wir noch beim Einstieg in den Zug. Weiterlesen

Das verborgene «Jerusalem des Balkans»

Salonikis kleine jüdische Gemeinschaft kämpft um die Erinnerung

Anfang des Jahres, am 28. Januar 2007, beging die nordgriechische Hafenstadt Thessaloniki den alljährlichen Holocaust-Gedenktag. Politiker und Vertreter der jüdischen Gemeinde pilgerten zum Denkmal für die ermordeten Juden der Stadt. Sie legten Kränze nieder, hielten Reden und stellten fest, dass die Einwohnerschaft auch in diesem Jahr wenig Interesse zeigte. Dabei war Thessaloniki noch vor hundert Jahren eine hauptsächlich von jüdischem Leben geprägte Stadt. Auswanderungsbewegungen und Deportationen während des Zweiten Weltkrieges beendeten dieses Kapitel der Stadtgeschichte. Eine kurze Spurensuche: «Hier gleich links befindet sich die Synagoge. Ich kenne die Gegend. Hier habe ich als Kind gewohnt und in den Straßen gespielt.» Der hilfsbereite ältere Herr mit den grauen Haaren und der modischen Brille führt zielsicher zur unscheinbaren und von einem Polizisten bewachten Synagoge. Sie liegt in der Syngrou-Straße, im geschäftigen Zentrum Thessalonikis. Es ist Schabbat, und dennoch finden sich keine Beter ein. «Die Synagoge wird nur noch sporadisch genutzt, beispielsweise an den Hohen Feiertagen», erklärt der freundliche Polizist vor dem Hauptportal und legt für ein paar Minuten seinen Roman beiseite. Wir stehen vor einer der drei verbliebenen Synagogen der Stadt. Vor dem Zweiten Weltkrieg repräsentierten 40 Gebetshäuser das jüdische Gemeindeleben. Sie sind weitestgehend aus dem Stadtbild verschwunden. Der Schutzmann empfiehlt den Besuch des nahe gelegenen Gemeindezentrums. Eine genaue Adresse kann er allerdings nicht angeben und diesbezüglich stößt auch die Ortskenntnis des netten älteren Herrn an ihre Grenzen. Weiterlesen